28. bis 31. Juli 2021: Reste vom Bayerischen Wald (Höhenangst auf dem Baumwipfelpfad), die Bastei im Elbsandsteingebirge und zurück tief in den Westen (wo die Sonne versinkt)

2021-07-29 - Rathen, Elbfähre

 


 

Nachdem ich der Not gehorchend das Anderswo Camp nach einem viel zu kurzen Aufenthalt verlassen habe, möchte ich mir noch den nahe gelegenen Baumwipfelpfad ansehen. Da bauen also Leute einen langsam ansteigenden, auf Stelzen gelagerten Pfad durch einen Wald und nehmen dafür zehn Euro Eintritt. OK, zur Fairness dazugesagt: Am Ende des Pfades geht dieser in eine Spirale über, die sich im Innern einer Eiförmigen Holzkonstruktion bis in ca. 40 Meter Höhe schraubt. Das alles schaut auf den Bildern der Website so phantastisch vielversprechend aus, dass ich dachte: "Da. Musst. Du. Hin.". Wenn sich das hier bisher so liest, als hätte mich der Besuch enttäuscht oder ich würde die Umsetzung des Konzepts schlecht finden - weit gefehlt, oh contraire! Ich muss nur ein bisher unausgesprochenes Detail hinzufügen und es wurde mir auch erst wieder klar, als ich schon drin war: Ich leide unter ausgeprägter Höhenangst.

Baumwipfelpfad. Es fängt langsam an mit sanfter Steigung.

Der Pfad ist nett gemacht, mit Infotafeln und anfassbaren Elementen für Kinder. Schon bald taucht es auf: Das Ei.

Ich muss jetzt hier gar nichts superspannend machen, was es nicht ist und ich war auch in unter einer Stunde wieder raus aus dem Konstrukt. Aber:

1. Bereits direkt hinter der Eintrittskasse kam mir ein Leidensgenosse mit schreckensweiten Augen entgegengewankt, der von der Dame am Einlass beanstandungslos seinen Eintritt zurückbekam, nachdem er versicherte, alles versucht zu haben aber es ginge einfach nicht - Höhenangst eben.

2. Mit viel festhalten links und rechts, einigen Pausen und ein paar Anläufen habe ich es bis in die Mitte der zweiten Umdrehung der Eibahn geschafft. Ich müsste mir so ein Ding hinten im Garten aufbauen und täglich trainieren. Dann käme ich da rauf.

 


 

2021-07-28 - Hainichen Falkenau, Stellplatz "Christas Scheune"

Vom Bayerischen Wald nach grobe Richtung Dresden/Pirna muss man um eine riesige Landnase Tschechien herum - wenn man so wie ich mild paranoid ist und befürchtet, nach einer Einreise Coronabedingt nicht so ohne Weiteres da wieder raus zu kommen. Da ich die Bastei gern früh am Morgen erstürmen möchte, ist eine Zwischenübernachtung angesagt. Nur ein paar Minuten von der A4 entfernt, liegt in Hainichen Falkenau auf ebenem Schotter der Stellplatz "Christas Scheune". Ich zahle per Münzeinwurf in einen Briefkasten. Man kann wohl auch Strom bekommen und weiteres aber man muss gemäß der Beschilderung ein Handy anrufen und da ich das alles nicht brauche, lass ich es.

In Rath angekommen, baue ich mich am Parkplatz/Wohnmobilstellplatz am Elbweg auf. Ein - zumindest im für Wohnmobile ausgewiesenem Bereich - halbwegs ebener Schotterplatz ohne jegliche weitere Infrastruktur. Übernachten ist erlaubt und 24h stehen kostet 15€. Ja, hach, ist viel Geld und an irgendeinem beliebigen Ort auf dem platten Land würde ich bei diesem "Angebot" kommentarlos weiterfahren (und vielleicht noch ein klitzekleines bischen Kopfschütteln) aber hier sind wir an einer touristischen Premiumlokation. Und ähnlich wie am Parkplatz Zauberwald/Hintersee bin ich schon froh, dass man am Platz überhaupt übernachten darf und nicht zum Schwarzcampen (oder ist das schon Raubcampen?) gezwungen wird.

Für Leute, die sich nicht an das Schlafen mit supereffizienten Ohrstöpseln gewöhnt haben, muss ich noch eine ganz ausdrückliche Warnung aussprechen: Direkt hinter dem Wohnmobilbereich läuft eine Bahnstrecke. Nachts donnern da gefühlt alle 5 Minuten Züge - auch und im Besonderen Güterzüge - durch. Es ist infernalisch laut. Für mich waren die angenehmen, leichten Beben eine Ein- und Durchschlafhilfe. Vom Parkplatz erreiche ich in nicht einmal zehn Minuten Fussmarsch die Elbfähre.

Die Fähre kostet faire (pun intended) 2,50€ hin und zurück und fährt rund um die Uhr. Ich denke, nachts hat der Fährmann wenig zu tun aber wer weiss. Es handelt sich übrigens um eine Gierseilfähre, die komplett ohne eigenem Antrieb, mit einem Seil verbunden allein durch Schrägstellung in den Strom von einer Seite zur anderen getrieben wird. Eine detaillierte Beschreibung findet sich hier.

Das Wetter an diesem Tag ist fantastisch. Strahlend blauer Himmel, angenehm warm und über allem liegt eine Brise fast schon wie am Meer. Auf der anderen Seite angekommen mache ich ein Foto vom ausgehangenen Wanderwegeplan, das ich hier NICHT reinstelle. Alt eingesessene unterwegs-daheim Kollegen werden sich vielleicht erinnern, warum nicht. Jedenfalls suche ich mir eine der mittel langen Routen aus und stapfe los. Der Aufstieg ist für einen Untrainierten wie mich eine echte Herausforderung. Es geht steil bergan und zwischendurch kommen immer wieder hölzerne und später steinerne Treppen. Dafür wechselt sich, hat man die unteren zwei Drittel erst einmal hinter sich, ein umwerfender Ausblick mit dem nächsten ab. Das hört dann eigentlich erst auf, wenn man ganz oben angekommen ist und es nicht mehr weiter geht. Irgendwie auch logisch.

Schon bei der ursprünglichen Planung der Tour hatte ich dieses eine Bild im Kopf, das ich "In Echt" sehen wollte. Dieses ikonische Foto der Bastei im Elbsandsteingebirge. Die Felsformationen sind offensichtlich natürlich entstanden und dann haben Leute, Planungsleute und Bauleute da ihre menschlichen Wirkungsspuren hinterlassen. Eindeutig gibt es da Parallelen zur Entstehungsgeschichte und der heutigen Situation der Externsteine. Und wahrscheinlich genau deshalb wirkt dieser Ort genau so stark anziehend auf mich.

2021-07-29 - Rathen, Bastei

"Da hat wohl jemand Wäsche getrocknet"

Zurück nach unten schlage ich einen anderen Weg ein und treffe nach dem Abstieg eine ganze Ecke höher auf den Amselgrund als dort, wo ich vorher den Aufstieg begann. Der Weg ist nun also weitestgehend eben und neben mir plätschert der - na? - Amselgrundbach, richtig! Schöne Häuschen erfreuen das Auge und irgendwie wirkt alles total malerisch. Da ich echt lange unterwegs war, ist es nun schon später Nachmittag.

"Da hat wohl jemand Wäsche getrocknet" - eine Anekdote: Vor gefühlt einem halben Jahrhundert, in einer meiner ersten Wohnungen hatte ich einen Hausmeister, dessen vornehmlicher Lebenszweck war es, zu verhindern dass jemand in der Wohnung Wäsche trocknet. Er war auch sonst ziemlich investigativ bis ins Lästige aber diese Nummer hatte ihn irgendwie gepackt. "In der Wohnung Wäsche trocknen" war gleichbedeutend mit "In der Wohnung ein Auto verbrennen" oder Experimente mit großen Mengen Schwarzpulver oder Knallgas oder auch beidem zusammen. Die Folgen von "In der Wohnung Wäsche trocknen" waren jedenfalls absehbar von biblischem Ausmaß und mussten unter allen Umständen zum Wohl aller Bewohner grundsätzlich unterbunden werden. Gar nicht erst passieren lassen! So kommentierte er denn auch bei der initialen Wohnungsbegehung, vor Unterzeichnung des Mietvertrags alle passenden und unpassenden "Schäden" oder "Unschönheiten" in der Wohnung mit "Da hat wohl jemand Wäsche getrocknet". Nun ist das ja ein absoluter Insiderwitz dahingehend, dass nur ich den kenne. Trotzdem kommentiere ich auch heutzutage immer noch Szenarien großer Zerstörungen im Fernsehen oder auch in der realen Welt mit diesem Spruch. Ich glaube, das hat mich geprägt damals und das werd ich nicht mehr los.

 

Kurz vor dem Fähranleger gibt es noch ein paar Souvenierstände und eine Pommesbude. Ich genehmige mir Pommes rot/weiss und eine Waldmeisterbrause. Die Preise sind sehr zivil - fast schon unheimlich für so einen Touristenhotspot. Aber vor nur wenigen Jahrzehnten herrschte hier ja auch noch der real existierende Sozialismus. Wie höre ich gelegentlich? "Es war nicht alles schlecht"- eben.  Ich werde Zeuge eines Dialogs Kunde/Bedienung: "Wie lange haben Sie auf?" - "18:30". Ein Blick auf die Uhr zeigt kurz vor Sieben. Auch hier sind die Leute froh, endlich überhaupt wieder ihre Geschäfte öffnen zu dürfen. Ich schlendere gemütlich die letzten Meter zur Fähre, die nun auf der Rückfahrt ebenfalls deutlich leerer ist als am Morgen.

Pommes rot, weiss, grün

In der Nähe des Anlegers gibt es noch eine Klanginstallation, die alle 30 Minuten eine Soundkulisse lokaler Künstler abspielt. Es ist ein runder Bereich mit Gebilden aus verschiedenen Materialien, die als Sitzgelegenheit, Lautsprecher oder auch beides fungieren. Ich setze mich also und warte die verbleibenden vier Minuten bis zur nächsten Runde ab. Wir sind zu dritt vor Ort, ein Mann, eine Frau und ich, gegen Abend leert sich die ganze Lokation in Windeseile. Jedenfalls spielt die Installation dann los, der Typ bekommt einen Anruf und fängt an, mit südländischem Temperament loszutrompeten. Die Frau und ich haben ihn nur ganz kurz mit einem intensiven, beinahetödlichen Blick festgenagelt - er springt auf und verlässt laut flüsternd den Bereich. Ja also das Ding ist schön, der Klang gut, die Musik mit Naturgeräuschen angereichert und allgemein sehr entspannend. Von dem ganzen Gekraxel bin ich nun total fertig und freue mich auf mein Bett. Leichte Beben begleiten mich durch eine angenehme Nacht.

Der letzte Wagen am Platz. Gewappnet für die Ankunft der Stahlrösser.

Auch hier war ich wieder viel zu kurz in der Gegend. Es gibt hier noch so viel zu sehen und zu erwandern. Allein die Festung Königstein ist einen eigenen Tag Zeit wert. Ganz wie beim Anderswo Camp mache ich einen fixen Deal mit mir, dass ich zu gegebener Zeit noch einmal herkommen werde.

Am nächsten Tag schlage ich nun endgültig den direkten Weg zurück in's Ruhrgebiet ein. Die Pflicht ruft und ich darf nicht nein sagen. Also denn. Das werden alles Aktionen, die mit der Tour herzlich wenig zu tun haben aber mein Kasten wird weiterhin mein Zuhause bleiben. Von daher wird sich vielleicht die eine oder andere Gelegenheit für ein Update ergeben. Gehabt Euch wohl, bis dann!